Gymnasium nimmt an Programm Erasmus Plus teil, ein Lehrer-Duo aus Meßkirch besucht Gastschule
Südkurier, 11.03.2025 von Kirsten Johanson
Das Martin Heidegger Gymnasium (MHG) ist bestrebt, die europäischen Austauschmöglichkeiten zu erweitern und nimmt am Programm Erasmus Plus der Europäischen Union teil. Das Gymnasium pflegt bereits seit etlichen Jahren Partnerschaften mit einer Schule bei Barcelona und in Sassenage. Daran hält das MHG auch weiterhin fest. Nun entwickelt sich mit Finnland eine neue Partnerschaft und möglicherweise vernetzen sich länderübergreifend auch weitere Schulen aus der Europäischen Union und der Türkei mit dem MHG.

Das Gymnasium hat ein Erasmus-plus-Konzept entwickelt, das den Titel „Die Zukunft der Schule: Europäisch, Nachhaltig und Digital“ trägt. „Hierfür haben wir eine EU-Erasmus-plus-Förderung erhalten, um vielfältige Austauschaktivitäten in Europa zu organisieren. Vor diesem Hintergrund und über eine europaweite Bildungsplattform haben wir dann schließlich den Kontakt zur finnischen Schule herstellen können“, erklärt Erasmus-plus-Koordinator Lars Kettner.
Zu Gast in Luvia
Zur ersten Kontaktaufnahme im Rahmen eines sogenannten Job Shadowing reiste er zusammen mit Ulrich Braunschweig Ende Januar nach Finnland. Dort erhielten sie gemeinsam mit Lehrkräften aus Polen, Spanien, Rumänien und der Türkei von den Gastgebern einen Einblick in das finnische Bildungssystem. 400 Kinder und Jugendliche besuchen die Schule in Luvia, die von 8.30 Uhr bis 14.30 Uhr Unterricht für die Klassen 1 bis 9 anbietet. Das sei typisch für das finnische Schulsystem. „Alle Schüler sollen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft eine bestmögliche, lebensvorbereitende Basis-Bildung erhalten“, so Kettner. Die Schule liegt im ländlichen Raum, Luvia hat rund 8000 Einwohner. Sie wurde 2017 neu gebaut und ist in allen Bereichen sehr gut ausgestattet, berichtete Braunschweig. Er erwähnte, dass ein großer Anteil – „um die Hälfte mehr als in Deutschland“ – des Bruttoinlandsproduktes in den Bildungsbereich fließt.

Bildungssystem überzeugt
Über das Erasmus-plus-Projekt informierten Kettner und Braunschweig ihre Kollegen am MHG im Rahmen einer Präsentation, zu der es neben Zimtschnecken auch das in Finnland äußerst beliebte Lakritz zum Probieren gab. Der Aufenthalt in der Gastschule muss sehr inspirierend gewesen sein und das Bildungssystem überzeugend. Die Lehrer in Luvia hätten sehr zufrieden und motiviert gewirkt. „Der Lehrerberuf hat in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert“, stellte Kettner fest. Die Gastfreundschaft hat die Lehrer aus Saksa (Deutschland) genauso beeindruckt wie der kostenlose Zugang zu Bildung und Dienstleistungen. Es gebe 800 Bibliotheken in dem dünn besiedelten Land, entlegene Regionen würden von 150 Büchereibussen angesteuert. Die Zentralbibliothek Oodi in Helsinki trage den Beinamen „das Wohnzimmer der Finnen“. Öffentliche Arbeits- und Veranstaltungsräume sowie Tonstudios stünden allen zur Verfügung.

Besonderheit: Special-Education-Kräfte
„Danke, dass ihr wiedergekommen seid“, kommentierte augenzwinkernd eine Kollegin nach den Ausführungen. Und das nicht nur, weil es Massagesessel im Lehrerzimmer in Luvia gibt. Die Meßkircher Lehrer berichteten von hoher Schülermotivation und selbstverantwortlichem Lernen. Das Mensa-Essen sei kostenlos und qualitativ hochwertig, die digitale Ausstattung der Schule sehr gut. Auch die Werkstätten seien bestens ausgestattet. Es gebe wöchentliche Versammlungen für die Klassen 7 bis 9, bei denen die Schüler ihre Anliegen vortragen können. Zum Personal gehörten auch eine Krankenschwester und eine Psychologin. Besonders angetan waren Kettner und Braunschweig vom Konzept der Special-Education-Kräfte. Diese Lehrer unterstützen individuell, sobald ein Schüler hinterherhinkt. „Keiner soll durch das Raster fallen“, so Braunschweig. Keine zentralen Prüfungen, mehr regionale Kompetenz, weniger Kontrolle, mehr Vertrauen, keine ständigen Unterrichtsbesuche. „Das Leistungsdenken spielt in Finnland eine viel kleinere Rolle, so etwas wie eine Notenvergabe kommt erstmals in Klasse 9.“ Nach der neunten Klasse seien drei weitere Schuljahre für alle verpflichtend – entweder in Richtung Studium oder in Richtung Berufsausbildung.
